Michael Ganesh Becker - allesgut.com

Michael Ganesh Becker

Über Coco, Gelbstirnamazone

Papagei Coco, Gelbstirnamazone


Coco ist ein Prachtexemplar der Gattung Amazonenpapagei, Unterart Gelbstirnamazone. Sein Geschlecht ist nicht bekannt. Mein Gefühl sagt mir, er ist ein Hahn, denn er will der Chef sein, hat noch nie ein Ei gelegt, und er steht auf Frauen.

Er ist ein überaus liebenswerter Geselle und hat schon viel erlebt. Auf dieser Seite erzähle ich ein wenig aus seinem Leben, bebildert mit vielen Fotos und Videos.

Coco ist übrigens voll flugfähig, seine Flügel sind nicht gestutzt, die Flugmuskeln sind nicht durchtrennt und auch im Freien wird er in keiner Weise fixiert.

Geboren wurde Coco irgendwann irgendwo in Mittel- oder Südamerika, vermutlich in Venezuela oder Panama. Wie viele seiner Artgenossen wurde er wohl als Jungtier aus seiner Baumhöhle geraubt und auf einem Hafenmarkt zum Verkauf angeboten. Sein erster Besitzer war ein Hamburger Seemann, der mit ihm über einen unbekannten Zeitraum zwischen Hamburg und Südamerika zur See fuhr. Eines Tages musterte der Seemann aus und vererbte Coco kurz darauf an seine Kinder, die ihn 1973 auf einer Vogelbörse an die Eltern meiner künftigen Lebensgefährtin verkauften. Wie mir berichtet wurde, war da bereits durchgefärbt, also ausgewachsen und somit mindestens ca. 5 bis 6 Jahre alt.

Ein neues Zuhause


Cocos neue Familie: Ein Mann, seine Frau, drei Töchter, ein Zebrafink, ein Wellensittich und eine Dackeldame. Ursprünglich war Coco als Haustier für die älteste Tochter vorgesehen, doch dieser Plan ging gründlich schief. Coco begrüßte sie mit einem kräftigen Biß in ihren Arm und wurde umgehend an die mittlere Tochter weitergereicht. Anfangs durfte er schon mal seinen Käfig verlassen, doch mangels Schreddermaterial schälte er eben die Tapete von den Wänden, was zur Folge hatte, dass seinem Freiheitsdrang zumeist in Form der Käfigtür ein Riegel vorgeschoben wurde. In den folgenden Jahren erlernte Coco auch seinen Wortschatz, der gewisse Rückschlüsse auf seine damalige psychosoziale Lebenssituation erlaubt: "Coco", "Huhu", "Auf Wiedersehen", "Papa, aufstehen" und "Wau, Wau!". Jawohl, Coco bellt!

In dieser frühen Lebensphase war seine Freiheit zwar stark eingeschränkt, aber immerhin hatte er genug zu essen, war in Sicherheit vor Gefahren aller Art, genoss ein wenig Beachtung und Zuwendung und war in einen lebhaften "Schwarm" integriert.

Im Sommer 1986 (mittlerweile lebte ich mit Cocos Besitzerin zusammen) nahmen wir Coco für 3 Wochen als Urlaubsgast bei uns auf. Und wie es das Leben so wollte: Aus den drei Wochen wurden Jahre. Für Coco bedeutete das die nächste gravierende Änderung seiner Lebensumstände.

Das erste Stückchen Freiheit

Gleich nachdem Coco bei uns einzog, öffnete ich seine Käfigtür. Meine Freundin war davon nicht wirklich begeistert:
"Du kannst doch nicht einfach seine Tür aufmachen! Was denn, wenn er fliegt?"
"Dann fliegt er eben. Die Tür jedenfalls bleibt offen."
Das blieb sie dann auch - wenigstens tagsüber.

Papagei Kletterbaum
Papagei schreddert Regalbrett
Coco im Küchenregal
Coco geduscht, nasser Papagei

Coco erfreute sich sichtlich an seiner kleinen Freiheit. Kaum wurde morgens sein Käfig abgedeckt, schwang er sich raus und kraxelte auf seinen Kletterfreisitz. Er lebte richtig auf, sang und pfiff kleine, selbstkomponierte Tonfolgen, brüllte ab und zu nach Herzenslust und artikulierte heiter und mit stolzgeschwellter Papageienbrust seinen kleinen Wortschatz. Neue Worte mochte er nicht mehr lernen. Wozu auch, ist es doch weit effektiver, eventuelle Belohnungen für erfolgreiche Lernleistung ohne Gegenleistung zu erhalten. Nach einer ersten morgendlichen Körnermahlzeit wanderte er durch die Wohnung und inspizierte dabei mit besonderem Interesse jegliche Ecken und alles andere, was nur im Entferntesten einer potenziellen Höhle ähnelte. Abgesehen von einer sehr lauten Glocke interessierte er sich kein Stück für sein Spielzeug. Viel interessanter waren da doch die Türkanten der Küchenzeile, die für seinen Schnabel anfangs das beliebteste Schredderobjekt waren, dicht gefolgt von der untersten Etage des Küchenregals bis hin zum PVC-Belag des Küchenbodens und dem Teppichboden im Flur. Eines Tages platzierte ich eine Baumscheibe aus Kastanienholz in der benagten Regaletage, um ihm ein (vermeintlich) geigneteres Raspelobjekt anzubieten. Zwecklos. Das Regalbrett schmeckte ihm einfach besser. Nachdem die komplette Etage (3 Better!) vollständig durchnagt war, tauschte ich sie gegen "Nachschub" aus. Das Resultat: Die zur Zerstörung freigegebenen neuen Bretter rührte er nicht mehr an,stattdessen sucht er sich laufend neue Schnabel-Opfer. Aktuell besonders beliebt sind Türzargen, Türkanten und der Fußboden. Teppichboden und PVC wurden mittlerweile durch Kork ersetzt, den er natürlich ebenso gern zerkleinert. So schreddert er seit 30 Jahren vorweg und ich flicke brav hinterher. Das ist auch in Ordnung, erspart ihm doch seine schnabulöse Betätigung Tierarztbesuche zwecks Schnabel abfräsen und Krallen schneiden.

Bisse, Blut, Gelächter

Papagei Schnabel Papageien können ordentlich zubeißen. Ein Hyazinthara beispielsweise "knackt" Paranüsse wie ein Mensch eine Erdnuß, amputiert mühelos einen Finger und zerteilt sogar einen Besenstiel. Der Biß einer Amazone ist da natürlich deutlich "angenehmer", aber trotzdem ziemlich schmerzhaft, je nach dem, mit welcher Intensität der kleine Liebling zubeißt - und wohin. Als wäre das nicht genug, entwickeln Papageien in solchen Momenten auch noch eine Art Schnabelsperre. Man kann entweder warten, bis das Tier für ein "Nachfassen" den Schnabel kurz öffnet oder HÖCHST VORSICHTIG den Oberschnabel greifen und nach oben ziehen, um der Schnabel-Beiß-Zange zu entkommen. Diese Variante ist jedoch besonders schmerzhaft, da sich dabei der rasiermesserscharfe Unterschnabel noch tiefer ins Fleisch gräbt. Bei einem Befreiungsversuch auf diese Art sollte man unbedingt, egal wie weh es tut, sehr ruhig und behutsam agieren. Den Schnabel massiv zu verletzen oder gar zu brechen, wäre das Todesurteil für den lebenslang treuen Gefährten. Beim Biss in Hand oder Finger ist die beste Strategie, den Übeltäter einfach abzuschütteln, das geht schnell, ist erfolgreich, birgt für den Gegner kein Verletzungsrisiko und entspricht am ehesten dem natürlichen Verhalten kämpfender Papageien.

Kurz nach seinem Einzug startete Coco seinen ersten Flug in meinem Arbeitszimmer. Das war ein spektakuläres Erlebnis für mich. Also machte ich einen "Katzenbuckel", um ihm einen Landeplatz zu bieten, und wie geplant landete er auf meinem Rücken. Langsam richtete ich mich auf und hoffte, er würde auf meine Schulter klettern, wie es sich für einen echten Piratenpapagei gehört. Ich glaube ja, das wollte er auch, doch statt Coco auf meiner Schulter spürte ich urplötzlich einen heftigen Schmerz im Genick: Coco hatte mich in den Hals gebissen! Ich war total geschockt, schrie "Aua, meine Halsschlagader!" und griff instinktiv mit beiden Händen nach hinten. Damit ging das Gemetzel erst richtig los. Ich spürte einen Biss nach dem nächsten, in den Hals, in die Hände, in die Finger. Inzwischen war auch meine Freundin herbei geeilt und erzählte mir später, dass Coco mit aufgefächerten Flügeln in meinem Genick sass, wie ein Adler, der seine Beute abschirmt, und höchst erregt seinen Schnabel in mich hackte wie ein Pitbull im Blutrausch. Schließlich gelang es mir, ihn abzuschütteln. Doch was war passiert? Dummerweise hatte ich nicht daran gedacht, dass ich einen lockeren Pullover trug und Coco naturgemäß schwerer ist als ein Wellensittich. Als mich aufrichtete, rutschte er ab, bekam Angst und wollte sich irgendwo (leider in Nähe meiner Halsschlagader) mit seinem Schnabel festhalten. Als dann noch meine Hände bedrohlich auf ihn zu kamen, geriet er natürlich erst recht in Panik und versuchte einfach nur, sich gegen eine (vermeintliche) Bedrohung zu verteidigen ...

Jahre später - meine Freundin war inzwischen meine Ex-Freundin - kam sie wie üblich zu einem ihrer damals regelmäßigen Besuche bei uns vorbei. Wir waren gerade dabei, gemeinsam abzuwaschen, als Coco ein Häufchen auf die Sitzstange plumpsen ließ. Wie gewohnt wollte seine Ex-Mama mit einem Stück Haushaltstuch das Malheur entfernen, da hörte ich urplötzlich einen schrillen Schrei und lautes Geflatter. Coco hing mit seinem Schnabel in ihrer Oberlippe! Sie riss ihren Kopf zurück und damit Coco von der Stange, packte ihn, drehte ihn irgendwie aus der Lippe, brüllte "Du Scheißvieh!" und warf ihn mit voller Wucht Richtung Küchenboden. Das alles geschah im Bruchteil einer Sekunde und kam völlig überraschend - für alle Beteiligten. Ich sah Coco schon zerschmettert auf dem harten Küchenboden sein Leben aushauchen. Doch da kannte ich Coco nicht. Kurz vor dem Aufprall breitete er seine Flügel aus, bremste dadurch seinen Fall und landete elegant und sicher auf dem Boden. Er guckte etwas verdutzt, leckte sich ihr Blut vom Schnabel - und LACHTE!! Auf diese zugegeben skurrile Weise feiert Coco seine Erfolge - er lacht ausschließlich nach erfolgreichen Beißattacken mit Blutgeschmack im Schnabel. Diese Konditionierung kann nur aus seiner Seefahrer-Phase stammen, wahrscheinlich hat er mal einen Matrosen gebissen, was bei anwesenden Zuschauern lautes und anhaltendes Lachen auslöste. Vielleicht war der Angriff auf seine "Ur-Mutter" eine Schreckreaktion, vielleicht aber auch Vergeltung dafür, dass er von seiner Bezugsperson verlassen wurde.

Heute, nach vielen Jahren trauter Zweisamkeit, hat Coco seine ernsthaften Beißattacken bis auf sehr seltene Ausnahmen eingestellt. Meistens ist er überaus verschmust und liebt das Kuscheln und Kraulen sehr. Nur ab und zu zwickt er mal, zum Beispiel wenn das Spielen und "Kämpfen" ausufert oder ihm das Kraulen zu viel wird. Dann versucht er, mich mit dem Schnabel zu erwischen, um mir die Grenzen aufzuzeigen. Er dosiert dabei seinen Schnabeleinsatz höchst präzise, die Verlauf von Warnung über nachdrückliche Ermahnung bis hin zur Strafaktion sind eindeutig und unmissverständlich. Wenn ich seine Signale wiederholt ignoriere, kann es schon mal weh tun. Wenn wir im direkten Kontakt die papageientypischen Machtkämpfe ausfechten, versucht er natürlich, mich zu dominieren und "Chef" zu sein. Dabei muss ich sehr aufmerksam zu Werke gehen, immer schneller sein als er und seine Bewegungen vorausahnen, um dem Schnabel auszuweichen. Nun ja, ich bin eben als "Ersatzpapagei" und Essenslieferant nicht nur fürs Kuscheln da.

Tischlein deck dich

Papageien sind sehr willensstark. Das gilt natürlich auch für Coco. Wenn er etwas will - egal was - zeigt er das unmissverständlich durch seine Körpersprache und diverse Lautäußerungen. Das geht mit stetig steigender Intensität so lange, bis er seinen Willen durchgesetzt hat. Sein "Ich will!!, und zwar jetzt und gleich!!" bezieht sich in erster Linie aufs Essen.

Coco ist ein wahres Leckermaul - Gourmet und Gourmand in Personalunion. Am liebsten futtert er in Gesellschaft. In seiner Gegenwart entspannt und in Ruhe zu essen ist nicht leicht, denn er fordert energisch seinen Anteil. Dummerweise frisstt er instinktiv so schnell und viel er eben kann, was für mich als Essenslieferanten mitunter etwas stressig sein kann, weil Coco, sobald er geschluckt (besser: verschlungen) hat, mit zunehmend schrillerem "Coco!!!" sofortigen Nachschub fordert.

Papagei Gelbstirnamazone trinkt Granatapfelsaft
Papagei Gelbstirnamazone frisst Obst
Papagei Gelbstirnamazone frisst Brot mit Lachs
Papagei Gelbstirnamazone frisst Körner
Papagei Gelbstirnamazone nascht Kuchen
Papagei Gelbstirnamazone frisst Salat
Papagei Gelbstirnamazone futtert Kartoffel
Papagei Gelbstirnamazone frisst Walnuss

Morgens und mittags: Brunch
Zuerst ein Esslöffel frisch gepresster Granatapfelsaft.
Danach: gemischtes Obst, dann Ciabatta belegt mit Lachs, Käse, Leberpastete, Schinken, Ei usw., wobei das Brot meist nur als Unterlage dient.
Zwischendurch:
Körner, Obst
Abends: Hauptsache heiß
Absolute Lieblingsspeise: Pasta, unbedingt mit Sauce, gern mit Parmesan
Oliven (sowohl heiß als auch kalt)
Garnelen in Olivenöl gegrillt mit Knoblauch und Chilischote
Kartoffeln, Reis (vorzugsweise heiss und ummantelt mit irgendeiner "Flüssigkeit")
Eintöpfe und Suppen aller Art
Goji-Beeren (nur warm und weich, vollgesogen mit Sauce/Suppe/Öl)
Sämtliche Käsesorten (gebacken oder kalt)
Als Not-Alternative: Gegarte Möhren, Rosenkohl, Zucchini, Fenchel, Erbsen ...
Räucherlachs, Matjes, geräucherte Makrele
Frische rote Paprika, Möhre, Schoten, Salat, Fenchel (hin und wieder)
Als Nachtisch dann ein gern paar Körner (zum Schnabel putzen)
Sein ausgeprägter Appetit auf heiße Speisen und seine Vorliebe für hölzerne Kochlöffel legen die Vermutung nahe, dass sein erster Besitzer (der Seemann) ein Schiffskoch war.
Nachts bevor das Licht ausgeht:
1/2 Walnuss in der Schale (wird täglich gefordert und geliefert)
Danach nochmal Obst: Banane, Mango, Weintrauben, Heidelbeeren, Erdbeeren, Apfel, Orange, Aprikose, Kirschen, Pfirsich
Zum Abschluß im Käfig: ein paar letzte Körner ...
Im Sommer im Garten:
Löwenzahnblätter- und Wurzel, Früchte der Felsenbirne.

Ist das nun eine artgerechte Ernährung? Tja ... Aus meiner Sicht ist Cocos Ernährung ähnlich "artgerecht" wie meine eigene. Die relativ gesunde Mischkost bekommt ihm bestens. Seine aktuellste Blutuntersuchung ergab gute Werte für sein Alter, er hat Idealgewicht und ist topfit. Er ist mittlerweile über 50 Jahre alt und war (obwohl nach Meinung mancher Skeptiker bestimmt nicht "artgerecht ernährt und gehalten") noch nie krank. Viele "artgerecht" gehaltene und ernährte Papageien hat er schon jetzt überlebt, ganz zu schweigen von seinen frei lebenden Artgenossen. Nach meiner Beobachtung ist der mit Abstand entscheidendste Faktor fürs Wohlergehen die soziale Situation und Umgebung sowie das Ausmaß der Befriedigung von existenziellen Bedürfnissen.

Fast schon richtig vogel-frei!

Im Lauf der Jahre vergrößerte sich sein Lebensraum immer mehr. Lebte er bei seinen Vorbesitzern nur in seinem (viel zu) kleinen Käfig, besteht seine aktuelle Heim-"Voliere" aus Küche, Flur, Wohn- und Arbeitszimmer sowie einem kleinen Garten. Der alte, kleine Käfig ist für ihn jedoch nach wie vor unverzichtbar, ist er doch seit über 40 Jahren sein gewohnter und sicherer Rückzugsort, Schlafplatz und Sandbad. Abends trage ich den Käfig ins Wohnzimmer und stelle ihn neben das Sofa, wo er von Coco als Freisitz und Futterplatz genutzt wird. Im Gegensatz zu früheren Zeiten ist die Käfigtür tagtäglich rund um die Uhr geöffnet. Coco kann sich in Wohnung und Garten frei bewegen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich seine freie Entfaltung auch schon mal bremse, zum Beispiel wenn er beim Scharren im Sand denselben in der gesamten Wohnung verteilt oder seinen Schnabel an Türkanten und Korkboden abarbeitet.

Cocos Leben ist geprägt von einer klaren, selbstgeschaffenen Struktur. Bedingt durch seinen ursprünglichen Lebensraum in Äquatornähe hat er einen festen 12-Stunden-Rhythmus, den er konsequent beibehält. Darüber hinaus hat er etliche ritualisierte Verhaltensweisen entwickelt:

Papagei Gelbstirnamazone liest Zeitung
Papagei Gelbstirnamazone klettert
Papagei Gelbstirnamazone putzt sich
Papagei Gelbstirnamazone versteckt sich

Morgens: Kafig abdecken und saubermachen, Coco besteigt die Hand, lässt sich durchkraulen, auf den Kletterbaum setzen, wo er ein kurzes Tänzchen aufführt, dann seine tägliche Dosis Granatapfelsaft konsumiert und sich danach der Obstschale widmet.
Post: Kaum betritt der Briefträger das Haus, beginnt ein Wettlauf zum Briefschlitz. Ist Coco der Sieger, beginnt das große Post fetzen, wenn ich schneller bin, kann ich die wichtigen Briefe retten. Die Stadtteilzeitung darf er dann alleine "lesen".
Mittags: Gegen Mittag kommt er irgendwann ins Arbeitszimmer gewatschelt und entert seine Staffelei, die neben meinem Schreibtisch steht. Dort putzt er sich ausgiebig, frisst ein wenig, schläft zwischendurch und lässt sich kraulen. Zwischendurch macht er immer wieder kleine Ausflüge zu Kabeln, Ecken, Bücherrücken und anderen Stellen, die tabu für ihn (seinen Schnabel!) sind. Ich vermute, dass er seine Ziele durchaus bewusst auswählt, da sein unerwünschtes Verhalten notgedrungen mit Aufmerksamkeit "belohnt" wird.
Abends: Der Abend ist seine Lieblingszeit, denn jetzt erwartet ihn endlich sein Höhepunkt des Tages: Gemeinsames Abendessen mit anschließendem Fernsehabend! Nach ausgiebigem Festmahl, Verdauungsschlaf und intensiver Kraul- und Spielphase gehts dann gegen Mitternacht wieder zurück in die Küche zu seinem Schlafplatz.

Im Garten: Anfangs stellte ich Coco hin und wieder mit Käfig in den Garten. Ziemlich bald wurde mir bewusst, wie paradox es ist, dass ich ihn raus ins Freie bringe, um ihn dort im Käfig einzusperren. Also klemmte ich einen Ast ins Gebüsch und fertig war sein Freisitz im Grünen. Es war schon ein gewisses Risiko, in einfach raus zu setzen, aber ich hatte das klare Gefühl, das das dies der richtige Zeitpunkt war. Er flog ohnehin nur sehr selten und nur kurze Strecken, außerdem sind Amazonen in erster Linie Kletterer. Und so sass er nun auf seinem Ast in seinem Busch wie ein König in seinem Reich. Dies war natürlich ein ziemlich ungewohntes Umfeld, das er anfangs mit gemischten Gefühlen zur Kenntnis nahm. Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit startete er Expeditionen in die dicht bewachsene Umgebung. Dort begann er sogleich, den neuen Lebensraum seinen Bedürfnissen anzupassen. Er rodete schnell und gründlich wie ein Waldarbeiter, Äste, Blätter und Blüten aller Art wurden innerhalb seines Aktionsradius rigoros abgeholzt.

Papagei Gelbstirnamazone im Regen
Papagei Gelbstirnamazone im Nebelwald
Papagei Gelbstirnamazone im Gebüsch
Papagei Gelbstirnamazone
Papagei Gelbstirnamazone im Gebüsch
Papagei Gelbstirnamazone im Regen
Papagei Gelbstirnamazone frisst Löwenzahn
Papagei Gelbstirnamazone

Seine Haupttätigkeit im Garten besteht jedoch aus Schlafen und Gefiederpflege. Ab und zu klettert er ein Stück weit in die Felsenbirne und nascht dort ein paar Früchte, sofern die Amseln noch welche übrig gelassen haben. Eine große Freude ist für ihn ein warmer Sommerregen. Dann spreizt er sein Gefieder und versucht, jeden Tropfen einzufangen. Wenn er in seiner Felsenbirne sitzt, klettert dem Regen so weit entgegen, wie es das Bäumchen eben zulässt. Aufwärts klettert er schnell und gewandt, der Weg abwärts fällt ihm leider nicht so leicht. Meistens muss ich ihn dann irgendwie nach unten lotsen und manchmal sogar regelrecht aus der Höhe "retten".

In über 20 Jahren Gartenfreiheit gab es keinen einzigen Fluchtversuch und kaum zehn Flugrunden mit sofortiger, fast schon panischer Heimkehr zu seiner vertrauten Nahrungsquelle. In den letzten Jahren hat die Anziehungskraft des Gartens allerdings deutlich nachgelassen. Der Grund wird wohl sein, dass er sich aufgrund seiner Sehbehinderung nicht mehr sicher fühlt in einer für ihn diffusen Umgebung ohne Grenzen, ohne statische, jahrelang eingeprägte Bezugspunkte. Das Gefühl von Sicherheit hat für eine Amazone, die ja ein Fluchttier ist, allerhöchste Priorität. Nein, er ist kein großer Naturfan (mehr?), ganz eindeutig mag er seine Wohnung lieber als den Garten.

Grauer Star

Papagei Schnabel Am 3. Juli 2014 hatte Coco einen Unfall. Beim Spielen startete er mal wieder einen seiner seltenen Flugversuche. Dummerweise verfehlte er sein anvisiertes Ziel (seine Staffelei), krachte mit dem Kopf gegen den Schreibtisch und stüzte gen Fußboden. Da saß er nun, bewegungslos und mit geschlossenen Augen. Er war zu rein gar nichts mehr fähig, war völlig desorientiert, fand nicht mal mehr seinen Fressnapf und hielt die Augen permanent geschlossen. Tierarztdiagnose: Schwere Gehirnerschütterung, eventuell sogar Hirnblutung. Und die Aussage: "Kein Wunder, dass er seinen Sitzplatz verfehlt hat, er hat ja auch grauen Star und ist nahezu blind." Ich hatte zwar schon längere Zeit das Gefühl, dass er nicht mehr so gut sieht, aber grauer Star und BLIND? Das war mir neu. Jedenfalls hatte sich durch das Unfall-Trauma sein altersbedingter grauer Star in Minutenschnelle dramatisch verschlimmert, anders als noch vor Tagen waren beide Pupillen komplett von einem grauen Schleier überzogen. Zum ersten Mal in seinem langen Leben wurde er von Kopf bis Fuß durchgecheckt. Das Ergebnis: Sehr guter Allgemeinzustand, Blutwerte gut, bis auf leicht erhöhte Leberwerte, laut Tierarzt aber im Normalbereich für eine Amazone seines Alters. Amazonen lieben fettreiche Nahrung einfach über alles.

Die Sehbehinderung erklärt auch seine wachsende Abneigung gegen den Garten und das Einstellen jeglicher Flugaktivität. Früher drehte er schon mal eine Runde im Garten oder flog von der Küche ins Arbeitszimmer zu seinem Sitzplatz auf der Staffelei. Das hat er eingestellt, denn ohne ausreichendes Sehvermögen fliegt ein Vogel nur noch in Notfällen. Klar ist auch: In freier Wildbahn hätte er keinen Grauen Star entwickelt und auch keine erhöhten Leberwerte. Das ist dann wohl der Preis des hohen Alters. Hätte Coco sein Leben im Regenwald verbracht, wäre er schon seit Jahren tot, gemordet und gefressen von einer Echse, Schlange, Großkatze oder einem Greifvogel.

Leider kann man Grauen Star bei Vögeln nicht operieren. Doch die Gehirnerschütterung konnte behandelt werden: Die Therapie bestand aus 3 Wochen absoluter Ruhe sowie der Medikamentierung mit einem Stärkungspräparat für Kleintiere, Vitamin B und Mariendistel. Langsam erholte er sich, fand sich langsam wieder in seiner Umgebung zurecht und sogar die Linsentrübung ging erkennbar zurück. Nach 3 Monaten war er schon wieder fast der Alte. Da er die Mariendistel partout nicht konsumieren wollte, habe ich sie durch frisch gepressen Granatapfelsaft ersetzt, wovon er bis heute täglich nach dem Aufstehen mit großem Vergnügen einen Esslöffel wegschlabbert. Inzwischen hat sich seine durch das Unfalltrauma enstandene akute Erblindung wieder zurückgebildet auf den Stand vor seinem Absturz. Heute ist Coco ist so fit und vital wie zuvor, eher sogar noch mehr. Denn durch den Unfall und die daraus folgenden Tierarztkontakte veränderten sich seine Lebensumstände ein weiteres Mal.

Der Star unterwegs

Für die Tierarztbesuche konnte (musste) Coco nun auch auch seinen bis dahin unbenutzten Transportrucksack einweihen. Er akzeptierte den Rucksack von Anfang an und ließ sich gern hineinsetzen. Eine richtige kleine Höhle, in der er sich (als Höhlenbrüter) offensichtlich geschützt und sicher fühlte. Sobald ich den Rucksack auf dem Rücken hatte, fing Coco an zu pfeifen. Das Ausgehen schien ihm zu gefallen, offenbar mochte er das rhythmische Schaukeln, die Reize einer neuen Umgebung und den Kontakt zu "neuen" Menschen. Vermutlich war es das Gesamtpaket. Als ich der Tierärztin davon erzählte, empfahl sie mir, mit Coco möglichst oft nach draußen zu gehen und ihm möglichst viel Tageslicht zu gönnen. Seitdem gehen wir bei halbwegs schönem Wetter häufig raus ins Freie.

Papagei Gelbstirnamazone Transportrucksack
Papagei Gelbstirnamazone am Strand
Papagei Gelbstirnamazone im Margarethenhof Laatzen
Papagei Gelbstirnamazone im Duvenstedter Brook
Papagei Gelbstirnamazone im Campus Eppendorf
Papagei Gelbstirnamazone vor Campus Suite
Papagei Gelbstirnamazone Hamburg Eppendorf
Papagei Gelbstirnamazone in Hamburg St. Georg
Papagei Gelbstirnamazone Strandperle, Hamburg
Papagei Gelbstirnamazone und Schwan, Alster Haynspark
Papagei Gelbstirnamazone, Alster Haynspark
Papagei Gelbstirnamazone Alster Haynspark

Mittlerweile gab schon Ausflüge an die Ostsee, einen Bildhauer-Kurs in Ueckermünde, eine Auszeit im Schwarzwald, einen Besuch im schönen Bautzen und viele Kurztrips nach Hannover. Wenn das Wetter passt, gehen wir gemeinsam einkaufen, ins Strassencafe in der Eppendorfer Landstrasse, auf den Markt, in den Park, an die Alster. Überall ist Coco gern gesehen, bekommt auf dem Biomarkt vom Nudelstand kleine Portionen spendiert, in den Strassencafes seine eigene Stuhllehne und reichlich Aufmerksamkeit von bekannten und unbekannten Menschen. Auffällig, jedoch nicht wirklich überraschend: Besonders interessant finden ihn alte Menschen, Kinder und Frauen, und so kommt es nicht selten zu Kontakten. Meist beginnt es mit den üblichen Fragen "Kann er sprechen?", "Fliegt er nicht weg?", "Wie alt ist er denn?". Coco mag es, im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, und gern und oft wird er fotografiert. Nur Fremdstreicheln ist schwierig, besonders bei Kindern ist das "Schnabelrisiko" zu groß. Seine Präsenz öffnet die Menschen, lässt sie lächeln, erzählen und hellt die Mienen auf. Coco, der gefiederte Gute-Laune-Therapeut von Eppendorf.

Coco im (Schwarz)Wald

Im Frühsommer 2016 machte ich mit Coco eine Reise in den Schwarzwald. Die 8-stündige Reise hat er in seinem Rucksack bestens bewältigt. Allerdings wurde es ihm im Lauf der Stunden wohl doch etwas eng und eintönig, denn irgendwann hörte ich seltsame Geräusche aus dem eigentlich schnabelsicheren Rucksack. Er hatte tatsächlich eine Stelle gefunden, die seinem seinem Schnabel einen Angriffspunkt bot, und zerfetzte genüßlich eine zum Glück nicht wirklich relevante Filzapplikation! In unserer Unterkunft fühlte er sich natürlich nicht ganz so sicher wie zuhause in Hamburg, wo er jede Ecke kennt und sich blind zurechtfindet. Und er bekam Gesellschaft: Eine Katze und zwei riesige Hunde (Leonberger).

Papagei Gelbstirnamazone auf der Bank
Papagei Gelbstirnamazone und Katze
Katze Heide und Papagei Coco
Papagei Gelbstirnamazone Graupapagei
Gelbstirnamazone Papagei im Baum
Papagei Gelbstirnamazone Waldboden
Papagei Gelbstirnamazone schreddert Baumstumpf
Papagei Gelbstirnamazone Lichtung im Wald

Das Zusammensein klappte einwandfrei, einmal jedoch startete Hauskatze Heide einen Fangversuch. Es geschah beim Frühstück auf der Terrasse. Die Situation schien völlig entspannt zu sein, und ich hatte mich von der sich friedlich unter Coco putzenden Katze in trügerische Sicherheit wiegen lassen. Nur wenige Augenblicke nach dem obigen Foto flog direkt neben mir etwas Schwarzes durch die Luft, ich hörte ein lautes Fauchen und durfte miterleben, wie die sonst sehr liebe Katze urplötzlich mit ausgefahrenen Krallen auf Coco zuschoss wie eine Rakete. Erst wenige Zentimenter vor Zugriff reagierte Coco auf die Attacke. Er riss seinen Schnabel auf, fächerte die Flügel auf, hob zur Abwehr das linke Bein und fauchte ebenso grimmig zurück. Mitten im Flug brach das Raubtier denselben ab und stürzte unverrichteter Dinge wie ein Stein gen Boden. Coco hatte die Angreiferin erfolgreich abgewehrt. Die Katze war zwar erkennbar frustriert, blieb aber höchst interessiert an dem seltsamen grünen Wesen. Heide ließ das Objekt ihrer Begierde fortan nicht mehr aus den Augen, startete aber weiteren Angriffsversuche.

Eines Tages gab es eine Begegnung mit einem Artgenossen. Hinter einem Restaurant befand sich eine Voliere mit zwei Graupapageien. Der graue Verwandte war sehr interessiert an Coco. Er kam sofort ans Gitter, balzte und pfiff. Coco jedoch war überhaupt nicht interessiert, im Gegenteil. Er reagierte ängstlich auf den grauen Annäherungsversuch und "flüchtete" von meiner Hand in Richtung Schulter ...

Einen besonders schönen Tag hatten wir auf einer Lichtung im Wald. Coco relaxte auf diversen Ästen und erkundete den Waldboden. Dort hatte er reichlich Baumstümpfe zur freien Auswahl und konnte endlich mal ungestört und nach Herzenslust den Schwarzwald schreddern, was ihm sichtlich Spass machte.

Die Reise war ein schönes und wohltuendes Erlebnis. Für Coco nicht zuletzt dank der leckeren Spaghetti beim Italiener in Lenzkirch, dessen netter Wirt Coco beim gemeinsamen Abendessen unentwegt filmte.

Abwechslung und neue Reize wirken belebend und sind förderlicher für einen Organismus als Isolation und Eintönigkeit. Dennoch: Auch positiver Stress ist Stress. Wohler als in der Fremde fühlt sich Coco in seiner gewohnten Umgebung, besonders auch aufgrund seiner Sehbehinderung. Und sowohl der Mensch als auch der Papagei ist letztlich ein Gewohnheitstier.

Coco im schönen Bautzen

Der nächste Ausflug: Besuch einer Freundin in Bautzen. Coco wurde auch hier freundlich empfangen, bestaunt und wie immer bestens bewirtet. Und es gab eine Premiere: Coco saß auf der Schulter eines Menschen! In den letzten 45 Jahren ist das noch nicht vorgekommen. Und siehe da: Es hat funktioniert! Dennoch ist die Schulter für Coco als Sitzplatz (beim Transport zumindest) nicht so gut geeignet wie der Platz auf der Hand, da sich beim Gehen die Schulter zu stark bewegt und bedingt durch die Kleidung der Halt doch ziemlich wacklig ist.

Papagei Gelbstirnamazone im Zug
Papagei Gelbstirnamazone Bautzener Dampflok
Papagei Gelbstirnamazone frisst Kuchen vom Löffel
Papagei Gelbstirnamazone auf Schulter
Papagei Gelbstirnamazone Reichenstrasse
Papagei Gelbstirnamazone im Restaurant
Papagei Gelbstirnamazone frisst Kuchen vom Löffel
Papagei Gelbstirnamazone Versuch einer Berührung


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