Alles gut (?)
Entspannung zulassen
Anspannung entsteht
durch die Unterschiede der Welt
Spannung ist Kraft
die das Dunkle erhellt
Entspannung ist Druck
der zusammenfällt
In Spannung und Entspannung
atmet die Welt.
Alles, was ist, bewegt sich in einem
fortwährenden Wechsel von Spannung und Entspannung. Das begann mit dem
Urknall (sofern dieser wirklich der Anfang von allem war) und
setzt sich seitdem fort bis in unseren Herzschlag. Spannung und Entspannung
besteht in allen Bewegungen unseres Planeten, beispielsweise
wenn sich der Druck des Erdinneren in einem Vulkanausbruch ausgleicht,
wenn sich die Spannung der Erdkruste in einem Erdbeben entspannt oder
wenn sich bei einem Gewitter die Spannung in einem Blitz entlädt.
Bei Strom wird das wirkende Prinzip besonders deutlich: Zwischen zwei
Polen mit unterschiedlich starker elektrischer Ladung entsteht
elektrische Spannung, denn die Spannungsdifferenz der beiden Pole
ist bestrebt, sich auszugleichen. Durch diese Spannung entsteht
Druck und damit die Kraft, die wir als Strom bezeichnen.
Ähnlich funktioniert das auch bei Pflanzen, Tieren und bei uns
Menschen. Wir können mit einem EEG unsere Gehirnströme messen und
verfügen über einen elektrisch messbaren Hautwiderstand. Anspannung,
Spannung und Entspannung sind natürliche Zustände jeglicher Existenz.
Stellen wir uns eine Kastanie vor. Die Frucht der Kastanie liegt
auf feuchter Erde. Durch die aufgeweichte Schale zieht der Keim
Feuchtigkeit aus seiner Umgebung und beginnt, zu wachsen. Durch
diesen Prozess entwickelt sich in den beiden "Polen" Schale und
Keim eine ungleich starke "Ladung". Dies ist die erste Phase der
Anspannung. Durch den sich ausdehnenden Keim entsteht eine steigende
Spannung und ein zunehmender Druck auf die Schale. Der Ausgleich,
die Entspannung findet statt, wenn die Schale durch die Kraft des
Keims gesprengt wird. Dieser Ablauf setzt sich fort in allen Wachstumsphasen,
bis hin zur Entstehung der Blüten und dem Wachstum neuer Früchte. Die
beiden "Pole" des Baumes finden wir sowohl in seinen Wurzeln und in
seiner Spitze wie auch in seinem Kern und in seiner Rinde. Trifft
beispielsweise ein starker Sturm auf unsere Kastanie, verändert das
wiederum die "Ladung" der verschiedenen "Pole". Je stärker die Kraft
des Windes ist, desto stärker biegt sich der Baum, und je stärker
er sich biegt, desto stärkere Spannung entsteht. Der Ausgleich, die
Entspannung dieser Spannung findet statt, wenn die Kraft, die einen
der beiden Pole "aufgeladen" hat (in diesem Fall der Wind),
nachlässt und der Baum sich wieder aufrichten kann. Wird der Wind jedoch zu stark,
entwickelt sich aus dem verhinderten Wechselspiel zwischen Spannung und Entspannung
eine gefährliche Überspannung. Diese Überspannung entlädt sich
dann schlagartig und mit einer zerstörerischen Wirkung: Die Kastanie wird
entweder entwurzelt oder sie bricht an genau der Stelle, an welcher der
größte Druck, die stärkste Spannung gewirkt hat.
Hier noch ein zweites Beispiel für einen gesunden und natürlichen
Spannungsbogen: Eine Gepardin liegt im Gras und döst. Sie hatte gut
gefressen und ist satt. Sie ist entspannt, sowohl körperlich als auch
mental. Dann wird sie unruhig, denn ihre Jungen brauchen Nahrung. Es
entsteht mentale Anspannung. Sie trabt in Richtung einer unweit
grasenden Herde Gazellen. Sie beginnt, sich anzuschleichen, wobei sowohl
ihre mentale als auch ihre körperliche Anspannung steigt. Ihr gesamter
Organismus befindet sich jetzt in starker Spannung. Dann beschleunigt
sie und hetzt ihre Beute im Zustand höchster körperlicher und mentaler
Anspannung, bis sich im Moment des Jagderfolges die gesamte Anspannung
entlädt. In ihrem Bewegungsablauf finden dieselben Prozesse statt.
Höchste Muskelanspannung wird dann erreicht, wenn sie sich vom Boden
abstößt, am Scheitelpunkt der Bewegung sind die Muskeln vollständig
entspannt, dann folgt der nächste Spannungsaufbau für die
nächste Bewegung.
Bei uns Menschen vollzieht sich das Wechselspiel zwischen Anspannung,
Spannung und Entspannung im körperlichen, geistigen und seelischen
Bereich. Diese drei Bereiche sind miteinander vernetzt und beeinflussen
sich gegenseitig. Bei Menschen, die innerlich unzufrieden sind und an
sich selbst leiden, ist in der Regel der geistige Bereich die ausschlaggebende
Instanz. Dieser Bereich ist es auch, den wir am besten selbst gestalten
können. Sehen wir also etwas genauer auf das, was in uns passiert:
Besteht ein gesunder Wechsel zwischen Anspannung, Spannung und Entspannung,
gibt es keinerlei Probleme. Probleme entstehen erst dann, wenn sich die
aufgebaute Spannung nicht mehr entspannen kann. Ausgangspunkt ist dabei
in erster Linie die geistige Anspannung durch unser Denken. Daraus entsteht
eine geistige Spannung. Wenn diese Spannung nicht auf natürlichem Weg
abgebaut wird, verfestigt sie sich als geistige Verspannung, die sich in der
Folge zu einer ständig steigenden geistigen Überspannung entwickelt. Dabei
berühren alle Phasen dieser Entwicklung in unterschiedlichem Ausmaß
immer auch die körperliche und die seelische Ebene. Durch die
Verspannungszustände, die sich auf den einzelnen Ebenen gebildet haben,
entstehen schließlich verschiedene seelische, geistige und körperliche
Krankheiten. Wenn die Ursachen (fehlender Entspannung) nicht gefunden
und korrigiert werden, findet die stetig zunehmende Überspannung des
gesamten Organismus früher oder später unvermeidlich in Form einer
zerstörerischen und unkontrollierbaren Entladung, die sich als körperlicher,
seelischer und/oder geistiger Zusammenbruch auswirkt, ihre Entspannung.
Körperliche Verspannungen zeigen sich als Muskelverspannungen. In unserer
Leistungsgesellschaft erleben das die meisten Menschen tagtäglich am eigenen
Leib. Um diese körperlichen Verspannungen abzubauen, stellt uns heute eine
regelrechte Entspannungsindustrie eine Vielzahl teils mehr, teils weniger effektiver
Entspannungsmethoden zur Verfügung. Da die Ursachen körperlicher
Verspannung jedoch fast immer einen geistigen Ursprung haben, kehren die Probleme
immer wieder zurück.
Seelische Verspannungen äußern sich emotional und zeigen sich heutzutage
überwiegend, sehr häufig und stark zunehmend in Form von Depressionen.
Depressionen sind fast immer ein Indiz dafür, dass die Seele durch ein Gefühl
von Ohnmacht unter Druck geraten ist. Die seelischen Verspannungen entstehen meist
dann, wenn emotionale Bedürfnisse nicht befriedigt werden können und besonders,
wenn sich das Selbst nicht entfalten kann. Dabei verhält es sich ähnlich wie
mit der Entfaltung des Kastanienkeims. Das Selbst ist eine Kraft, die bestrebt ist, sich
auszudehnen und zu entfalten. Wird das Selbst nun durch einen Widerstand an seiner
Entfaltung gehindert und durch die Dominanz des Ego in eine bestimmte Form gezwungen,
entsteht zunehmender Druck und eine daraus resultierende Spannung. Da die Seele ihrer
Natur nach jedoch gar nicht verspannt sein kann, wirken die seelischen Verspannungen
sozusagen eine Instanz höher. Der "Ort" dieser Spannung befindet sich an
der Schnittstelle zwischen Selbst und Ego, gewissermaßen an der Kastanienschale
des Selbst. Diese "Schale" ist das gesunde Ich. Wenn das Selbst keine
Möglichkeit zur Entfaltung findet, entwickelt sich diese innere Spannung zum
Dauerzustand, der sich immer weiter verschärft und das Ich überbeansprucht und
beschädigt. Diese auf Dauer unerträglichen Überspannungszustände werden
dann kompensiert, indem der Mensch sein Selbst auf welchem Weg auch immer lahm legt -
meist mittels der schon beschriebenen Maßnahmen, die das Selbst betäuben,
jedoch das Ego stärken. Somit haben auch die seelischen Verspannungen ihren Ursprung
im geistigen Bereich - besser gesagt im Denken.
Geistige Verspannungen äußern sich in krampfhaftem Denken. Das ist
dann der Fall, wenn die Gedanken nicht fließen, sondern das Denken
in starren Mustern stattfindet und sich permanent im Kreis bewegt.
Oft hat dieses Denken einen starken Bezug zur eigenen Person und dreht
sich überwiegend um den eigenen Zustand. Das Wort, das dann am
häufigsten gedacht wird, lautet: "Ich". Die auf diese Weise
entstehenden geistigen Verspannungen übertragen sich früher oder
später auch auf den körperlichen und auf den seelischen Bereich und
richten dort ebenfalls mehr oder weniger große Schäden an. Für
einen harmonischen Gesamtzustand ist es daher unerlässlich, die
gesunden und normalen geistigen Spannungen auf natürlichem Weg und
rechtzeitig wieder abzubauen.
Die natürliche Spannung im Geist entsteht durch das Denken. Auslöser
für unser Denken ist unser Wunsch nach Befriedigung der verschiedensten
körperlichen, geistigen und seelischen Bedürfnisse. Dabei erzeugt
jeder einzelne Denkvorgang eine natürliche geistige Spannung, die
sich nach Abschluss des entsprechenden Denkprozesses ganz von selbst
wieder entspannt. Die ungesunde Entwicklung zur Verspannung findet
dann statt, wenn die Denkprozesse kein natürliches Ende finden, sie
sich ver-selbst-ständigen und wir dadurch die Kontrolle über
unser eigenes Denken verlieren. Das Verhängnis liegt darin, dass
wir uns im Lauf der Zeit daran gewöhnen. Wir denken dann nicht
mehr (aus unserem) selbst, sondern werden statt dessen von
Gedanken, die unserem Ego entspringen, beherrscht. Dies kann sich
zu einer hochgradigen Sucht entwickeln, die in ihrer Konsequenz zur
Selbst-Zerstörung führt. Doch auch hier gibt es zum
Glück Wege, diese Spur zu verlassen. Wir können und müssen unser
Denken deshalb nicht einstellen, aber wir können anders damit umgehen.
Was wir uns jahrelang antrainiert haben, werden wir natürlich
nicht in ein paar Sekunden ablegen können. Es geht schließlich
darum, eine Gewohnheit, wenn nicht sogar eine Sucht aufzugeben.
Wir werden uns also ein anderes, ein neues Verhalten angewöhnen.
Betrachten wir deshalb noch einmal die Ausgangsbasis:
Geistiges Greifen erzeugt Anspannung.
Geistiges Festhalten ist Spannung.
Geistiges Loslassen führt zu Entspannung.
Der ausschlaggebende Faktor auf unserem Weg zur Entspannung ist das Aufgeben von
Widerstand. Festhalten wirkt wie ein Widerstand im natürlichen Energiefluss,
und gleichzeitig ist Widerstand immer identisch mit Festhalten. Auch das Ego fungiert
als Widerstand, wenn es das Selbst in seiner freien Entfaltung blockiert. Durch
Widerstand in jeder erdenklichen Form wird Entspannung verhindert.
Also geben wir unseren geistigen Widerstand gegen die Bewegungen des Lebens auf und
schaffen damit die Voraussetzung für das Loslassen unserer Gedanken.
Wir lassen unsere Gedanken los, indem wir sie weiterziehen lassen und uns gedanklich
neu orientieren. Wenn sie wiederkommen, lassen wir sie erneut los.
Wir erlauben es unserem Selbst, sich ungehindert zu entfalten, indem wir es aus
den Fesseln unseres Ego befreien.
Dabei kann Meditation sehr hilfreich sein, wobei die
Technik nur eine untergeordnete Rolle spielt. Es kommt in erster
Linie darauf an, die Gedanken bewusst loszulassen. Wenn wir
diesen neuen Umgang mit unserem Denken fortgesetzt üben,
werden wir schon nach 4 - 6 Wochen feststellen, dass wir uns
daran gewöhnen und dass sich aus der bis dahin bewussten Handlung
des Loslassens eine unbewusste und dauerhaft gelebte innere Haltung geistiger
Entspannung entwickelt.
Die wichtigste Voraussetzung für einen entspannten Zustand ist es jedoch,
bewusst im Hier und Jetzt zu leben und der Unfehlbarkeit der Schöpfung
zu vertrauen.
zurück zu Kapitel 9
weiter zu Kapitel 11